Beck: »Morning Phase«

 
Zunächst: Vergessen wir mal diese Sache mit Scientology
 
Beck war immer dieser witzige, groovige, zugekiffte Typ auf ’nem Schrottplatz voller Musikinstrumente. Für jeden Spaß zu haben und ein bisschen schräg. Bemerkbar machte sich diese Anmutung zumeist in haufenweise Gedudel und Geklimper, das – immer locker durch die Buxe atmend – zwischen Rhythmus und Melodie baumelte. Beim Kokettieren mit Dissonanzen und Nonsens-Texten – die zeilenweise aussagekräftiger waren als zunächst angenommen – macht man sich manchmal ganz schön unbeliebt oder fängt sich oben erwähnten Ruf ein, der nicht mal auf festen Füßen stehen muss. Gewisse Leute finden sowas dann auch ganz schön scheiße.

Diese Entwicklung schlug schon mit ›Sea Change‹ eine andere Richtung ein, hin zu mehr Ordnung und größeren Kompositionen, die sich jetzt auf ›Morning Phase‹ tautropfenartig-klar, zeitweise auch kühl in aufwendig wirkenden Orchester-Arrangements kristallisiert. Geerdet von endlosen Flächen und Hallkaskaden wächst hier so etwas wie eine akustische Festung der Einsamkeit. Früh am Morgen, wenn mal Wochenende ist und Sonne scheint, oder so. Mit einer Tasse lauwarmen Kaffee in der Hand streift dieser ehemals zugekiffte Typ also durch sein Reich, dem der Schrottplatz gewichen ist. Fühlt sich alles weder gut noch schlecht an, nur ein bisschen langweilig. Und dann der gläserne Gelegenheitsgedanke: Auch wenn die Ruhe ganz nett ist — ich hab keinen Bock mehr alleine zu sein.
 

»I’m so tired of being alone.«

 
Damn right, man. Kenn ich, das Gefühl. Ganz ehrlich. Und in den richtigen Situationen wird dieser Satz genauso intoniert in mir widerhallen. Wieder Hall; in jedem Song. Ein kurzer Eindruck: Hall gaukelt zuweilen textliche Deepness vor, die gar nicht zwangsweise vorhanden ist. Ob das hier der Fall ist? Gar nicht weiter relevant, da man häufig den Kontakt zur textlichen Ebene verliert (man versteht nichts mehr) und sich ganz auf Melodien besinnt. Oh ja: Melodien, manchmal auch richtig gesungen, nicht so wie früher. Passend: während der Rest des Albums sich weitestgehend dazu eignet, (s)einer Oma beim Blumen Eintopfen im Feng-Shui-gerechten Garten voller Bodendeckerrosen zuzusehen, kann man selbige – aus okkulten Motiven heraus – zu ›Wave‹ apathisch abstechen. Oder es zumindest erwägen.
 

»If I surrender…and I don’t fight this wave…«

 
Hier erschließt sich vielleicht, worauf Beck schaut, während er am Fenster seiner einsamen Festung steht. Mysteriös, spirituell, groß: dem Sound nach zu urteilen bietet sich seinem Blick Bedrohliches. Es hebt und senkt sich. Wird im Ganzen aber größer und greift zu. Lässt es auch wieder los?

Ein Morgen wie jeder andere auch – bis auf diesen einen Zwischenfall. Was mit dem Zugekifften von damals ist weiß jedenfalls keiner. Manche vermissen ihn. Aber wenn er sich in diese eine Wave gestürzt und sich davon hat tragen lassen zu derlei Songs, oder von mir aus auch ›Turn Away‹ – ja dann, bitte.
 
 

Text

Dean Ruddock

Fotografie

© Peter Hapack
 
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[notification type=“success_alert“ title=““]›Morning Phase‹ erscheint auf Capitol Records.[/notification]

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