Caribou: »Our Love«

Die Vorstellung hat etwas Comichaftes. Da ist dieser spleenige Typ mit schütterem Haar, der seit einem geraumen Jahrzehnt eigenbrötlerisch, in aller Stille und Abwesenheit, an Tracks werkelt und dann schwupp — plötzlich entgleiten sie ihm wie ein Stück Seife und beginnen ein Eigenleben zu entwickeln.

Dieser Moment liegt für Dan Snaith vier Jahre zurück. Damals hatte er mit seinem Projekt Caribou das Album Swim veröffentlicht. Und wie im Handumdrehen schien sich hinterrücks die Kulisse zu wandeln: während vom – angesichts der wirr fiependen und phantasmagorisch flimmernden Klanggebilde – versonnen lächelnden Clubgänger Abschied genommen wurde, hieß es eine händeringende Meute willkommen zu heißen, die kreischend nach ihrem Anteil an diesem eigenwillig spröden Glücksgefühl, das die Tracks in sich bargen, begehrte, um es flugs im Jutebeutel zu verstauen. Vier Jahre, an die 200 Auftritte und einige Dutzend glückstrunkener Hipster später, legen zehn neue Tracks Zeugenschaft von einem eigenartigen Geschehen ab: Dan Snaith scheint in einem beispiellosen Divisionsprozess restlos in seinen Tracks aufgegangen zu sein — konsequent betriebener Altruismus. So konsequent allerdings, dass es scheint, als würden selbige Tracks nicht mehr zu ihm gehören. Man spürt ihn noch vage, wie Phantomschmerz im Körpergedächtnis der Nervenbahnen, doch er ist nicht mehr greifbar. Verblieben sind retuschierte Abbilder, in Rosenöl gebadete Glücksversprechen, deren Duft so sirenenhaft betört, dass man sich Ihrer kaum erwehren kann. Gleichwohl hinterlassen sie den etwas faden Beigeschmack der Ware, samt des unbequemen Eindrucks, man wäre unversehens dem ihr inhärenten Fetischcharakter aufgesessen. Denn bei näherer Betrachtung stellt sich recht schnell Ernüchterung ein: verschwunden sind jene produktiven Irritationsmomente; die unvermittelt aus der Deckung springenden Samples, die wild durcheinander wuselnden Melodielinien und eben jene karge Unbedarftheit, mit der all das ungebremst aufeinander zu prallen schien.

»Das Album [Swim; Anm. d. Red.] bedeutete Menschen etwas, was ich so nicht erwartet habe und was mich wirklich dazu gebracht hat, darüber nachzudenken, eine Platte für diese Menschen zu machen. Für die Menschen, die auf eine Caribou-Platte warten.« So erläuterte Snaith jüngst die Our Love unterliegende Motivation. Nun kann (oder möchte) man ihm diese weitherzige Geste kaum vorhalten (im Gegenteil: so betrachtet ist das Album ein voller Erfolg), nur ist es eben jene vorgespiegelte Veräußerung der Kreationshoheit, die den Kompromiss zum Produktionsmodus erhebt. Und selbiger neigt bekanntlich dazu, jedwede Unkonventionalität flach zu schleifen.
 
 

Text

Robert Henschel

Fotografie

© Thomas Neukum
 
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[notification type=“success_alert“ title=““]Our Love erscheint auf City Slang.[/notification]
 

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