Sie lesen alles. Aber sie lesen nur, um spötteln zu können.
Sie leben in einem Paradies der Dummheit und ihr Ideal ist der Hohn.
Es kommen kalte Zeiten, das Zeitalter der Fische.
— Ödön von Horváth
Schon anno 2012 war es ein rechtschaffen mühseliges, da geistig zerfaserndes Unterfangen, Die Heiterkeit zu hören. Klar, das „Föhetong“ mochte es, Ja, Panik protegierten es, viele fühlten sich anscheinend auch provoziert vom nonchalanten Desinteresse, das Die Heiterkeit ausstrahlt. Nun folgt also „Monterey“ – das mit Moses Schneider als neuem Produzenten und mit Anna-Leena Lutz als neuer Heiterkeits-Drummerin entstanden ist. Macht sie das jetzt zu einer richtig guten Band? Eher nicht. Das liegt aber nicht daran, dass es so gar keine Weiterentwicklung gäbe, sondern – strukturell begriffen – eher in der Anlage ihres Images. Sie mögen abstreiten, überhaupt etwas darstellen zu wollen, doch sind sie dabei längst viel zu sehr im eigenen Widerspruch verstrickt. Pose? Nö, wir sehen nur gut aus. Dilettantismus? Als ob das im Pop noch eine Kategorie wäre. Nein, die Angriffspunkte dieser Band liegen ganz woanders, auch wenn sie sie geschickt verschleiern.
Musikalisch können wir uns kurzfassen: Der Sound scheint ein bisschen satter, die Farben gewohnt blass, das Gesamtkonstrukt offensiv träge. Stella Sommer’s Gitarre schrammelt unterm Strich etwas dezenter, Rabea Erradi’s Bass hat viele solide groovende Momente. Alles in allem drängt sich der Eindruck auf, den schon „Herz aus Gold“ evozierte: zweckdienlich; musikalischer Pragmatismus. Alleinstellungsmerkmal, wenn man das denn so nennen möchte, bleibt einzig Sommer’s Gesang; diese Karikatur auf alles Phallokratische, diese Nicoesk, rauchige Unbedarftheit. Das mag man eben, oder man lässt es. Stilistisch ist es nach wie vor im Grunde spannend gedacht, wäre da nicht das latent ungute Gefühl, dass darunter einfach nichts mehr kommt, was „Monterey“ ein wenig mehr Textur verleihen könnte. Vor allem die popkulturellen Verweise (Dylan, Cary Grant, Dead Poets Society, Warhol…) wirken allesamt seltsam deplatziert und völlig losgelöst von allem, was sie noch in der Realität halten würde – Rekontextualisierung in allen Ehren, aber ein Schnipsel macht noch keinen Text.
Fazit: Ich verstehe Die Heiterkeit nicht. Keine Sekunde von „Monterey“ spricht zu mir. Vielleicht ist das auch ganz okay so, denn sie brauchen mich nicht. So, wie sie eigentlich niemanden brauchen, der ihnen zuhört – jedenfalls ist das der einzige bleibende Eindruck den sie – derzeit – hinterlassen. Das große Missverständnis im Verhandeln dieser Band besteht wohl darin, ihr zu unterstellen, dass sie streitbar wäre. Ob sich also nun die Exegeten des bodenständigen Muckertums („Ihr pseudo-intellektuellen Langweiler mit eurem Scheiß-Diskurspop!“) erneut gegen dieses Album in Stellung bringen werden, oder es ignorieren, ist letztlich egal. Die Heiterkeit, dieses Konstrukt des Nicht-Identitären, bleibt ein Symptom, das bestenfalls den Blick auf tieferliegende Probleme lenkt. Denn genau genommen ist diese Band einfach nur ein konsequenter Ausfluss des post-ideologischen Mehltaus, der sich über eine, seit fast zehn Jahren von Angela Merkel sedierte Republik gelegt hat. Carolin Emcke schrieb einst in der ZEIT: „Angela Merkel domestiziert Kritik durch simulierte Freude an einem Diskurs, den sie nicht führt. “ Es ist wirklich erstaunlich: Da macht sich Stella Sommer noch über „Daddy’s Girl“ lustig und reproduziert dann doch nur Mutti’s Rhetorik. Ob das jetzt Ironie ist, oder nicht, sei dahingestellt, aber wenn’s keiner versteht, war’s auch kein Witz. Klar, im Pop gilt noch immer: richtig ist, was gefällt. Der Rest ist in diesem Fall aber schlicht und ergreifend intellektuelles Blendwerk.
Text
Henning Grabow
Fotografie
© Alina Simmelbauer
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[notification type=“success_alert“ title=““]»Monterey« erscheint auf Staatsakt.[/notification]