Jacob Mafuleni & Gary Gritness: ››Batanidzo‹‹

Gut zwei Jahrzehnte sind vergangen, seit Stephan Groth und Christian Grimshei alias Acid Queen den damals noch recht abenteuerlichen Versuch wagten, tansanische Taarab-Musik und Acid Techno zu fusionieren. Mit allerhand Fördermitteln der norwegischen Stiftung für Entwicklungshilfe ausgestattet, flogen sie Ende der 90er Jahre nach Daressalam, um dort lokale Taarab-Ensembles und -Musiker aufzunehmen. Die Aufnahmen versuchten sie anschließend in ein raviges Gewand zu kleiden. Das Ergebnis dieses Unterfangens, Acid Queens Tranzania, ließ sich sowohl unter dem Weltmusik-Label als auch unter Techno verzeichnen, ohne dabei das Gefühl zu vermitteln, etwas würde weder dem einen noch anderen angehören. Die Musik war letztendlich eher Bricolage denn Fusion: Ein Mosaik, dessen Einzelteile einander gegenseitig ausstellten. Oder zumindest ausstellen sollten. Immerhin blitzte das gleichberechtigte Nebeneinander als angestrebtes Ideal auf. Faktisch war es dann doch eher der Taarab mit seinen Gesängen in Swahili oder Arabisch und den ›ungewöhnlichen‹ Sounds afrikanischer Saiteninstrumente, der, eingebettet zwischen hämmernden Four-to-the-floor-Beats und sägenden Basslinien, als wenig mehr denn exotisches Einsprengsel im allzu Vertrauten herausstach.

Die Fusion ist indes ein sehr viel fragilerer Balanceakt in Kommunikation. Zumal sie unter von vornherein erschwerten Bedingungen stattfindet, die ihr allerhand Grenzziehungen — ob kulturell, geografisch oder geopolitisch – auferlegen. Die Fusion verhandelt auf der Ebene des Klangs Identitäten. Im besten Fall tauchen in diesem Prozess gänzlich neue Formen auf, deren wesenhafte Ambivalenz sich nie restlos in Stereotype auflösen lässt: Schillernde, in Wachs gepresste Pop-Kreolen.

Insbesondere die experimentelleren Stränge elektronischer Musik suchen mit diesem Fusions-Gedanken seit einigen Jahren wieder verstärkt den Dialog mit dem afrikanischen Kontinent. Mit zum Teil äußerst spannenden, weil irritierenden Resultaten — man denke an Moritz von Oswalds Kollaboration mit Afrobeat-Urgestein Tony Allen auf Sounding Lines, Mark Ernestus’ Ndagga-Projekt oder Stefan Schneider und Sven Kacireks Shadows Documents. Eine Aufzählung, die nun – mit Nachdruck – um Jacob Mafuleni & Gary Gritness’ Batanidzo-Album erweitert werden muss. Mafuleni verkörpert in dieser Zweier-Konstellation Zimbabwes Mbira-Tradition, während sich Gritness’ musikalischer Hintergrund irgendwo zwischen Acid Techno und motorischem Funk bewegt.

Die Mbira, hierzulande in ihrer einfachsten Form als Kalimba bekannt, ist ein Instrument, das vor allem der Untermalung eines bestimmten Trance-Rituals – dem bira – der Shona, einer Volksgruppe im Osten Zimbabwes, dient. Die verschiedenen Abwandlungen des Instruments (z.B. als likembe in Zentralafrika oder lulimba in Tansania), dessen Stimmungen und Spielweisen sind fest in kulturelle Kontexte eingebunden. Dem bira-Ritual geht es um Transzendenz, um Selbstüberschreitung und den Kontakt zur Geisterwelt, die im Glaube der Shona die Wirklichkeit bestimmt. Das Ritual geht über Stunden, manchmal nächtelang. Fast unweigerlich kommt einem dabei das Berghain in den Sinn — auch der Exzess im Techno sucht dieses Jenseits des Ich. Wahlverwandschaften also. Mafulenis Spiel ist weich, viel Gefühl in den Fingerspitzen. Die Töne der Mbira verlieren dabei beinahe unmittelbar ihre Konturen, werden randlos. In Zyklen tauchen sie immer wieder aus diesem seltsam wohligen Klang-Dilirium auf. Dem entgegnen Gritness’ Beat- und Bass-Texturen mit einer zunächst fast widersinnig anmutenden Härte und Drastik. Und doch: Wie magisch bewegt, beginnt dieses Gebilde urplötzlich zu pulsieren und dann ist sie da, diese unwirklich schillernde Fusion.
 
 

Text

Robert Henschel

Fotografie

© Nyami Nyami Records
 
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[notification type=“success_alert“ title=““]Batanidzo erscheint auf Nyami Nyami Records.[/notification]
 

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