Jhené Aiko: »Souled Out«

Pretty bird, pretty bird,
We need your light,
We need your light

 
— Jhené Aiko

 
»Understandig that you are a soul with a body and not a body with a soul«, erzählt Jhené Aiko über die Intention, die hinter ihrem Debütalbum steht. Zierlich, klein und fast zerbrechlich wirkt das Wesen der 26-jährigen Kalifornierin. Aus der Stadt der Engel kommend schwebte sie bereits mit Drake über die Bühne und kann auf gemeinsame Projekte mit Künstlern wie Ta-ku, Childish Gambino, Kendrick Lamar und Kanye West zurückblicken. Als weibliche Version von Frank Ocean oder The Weeknd wird sie gehandelt, deren sinnliche Art auch in Jhené Aikos Musik wiederzufinden ist. Sie selbst war lange als Songwriterin tätig und beschreibt ihren Output auch als männlich geprägt. Allerdings sollen diese vielleicht gendertypischen Merkmale nicht weiter vertieft werden, stehen doch genau diese Männer spätestens seit Channel Orange für Liberalität im US-amerikanischen R&B. Vielmehr ist auf Souled Out eine kreative Seele zu hören, die dem Hörer vertraut und auf gut gewählten Beats das besingt, was am Ende diese zierliche Person ausmacht.

Aufrichtig und selbstlos, Friedrich Schillers schöne Seele öffnet sich, opfert sich und ihre geheime Gedanken, um ihren Hörern bei den Herausforderungen des Lebens beizustehen. Dennoch scheint Jhené viel zu reflektiert, um nur naiv das Gute zu besingen, sondern eher den schwierigen Weg dorthin. Mit einer unvergleichlichen Großzügigkeit lässt sie uns an ihrem Seelenleben teilhaben. Aiko, deren ostasiatische Wurzeln sich nicht nur im Namen widerspiegeln, schafft beispielsweise bei ›Promises‹ musikalisch und textlich eine stark meditative Atmosphäre. So besingt sie einerseits die ihr gegenwärtige, doch stetig wachsende Seele ihrer Tochter und widmet andererseits Zeilen ihrem verstorbenen Bruder, dessen Energie ihr omnipräsent erscheint: »Swear that I can still feel you here, I just can’t believe you’re not here«. Sie erzählt von ihren Träumen, in denen ihr Bruder erscheint und ihr die Gewissheit gibt, dass unsere Lieben noch unter uns sind und am Ende alles gut (»Promise I’ll be alright«) wird. Jhené berichtet aber nicht auf esoterische Art, sondern mit der schmerzlichen Ehrlichkeit einer Mutter, die sich eingesteht, dass dieses Leben endlich ist und die sich wünscht, dass auch »if anything should happen, ‚cause anything could« ihre Tochter versorgt ist. Wenn Jhené Aiko davon spricht, dass schlussendlich etwas Größeres als die bloß sichtbaren Wesen diese Welt gestalten, wird ihre Tochter das in dieser Tiefe später einmal verstehen. Jhené selbst hat durch die Tochter gelernt, in ihrer Musik ehrlicher zu sein. Wer sehnt sich nicht nach der versteckten Weisheit in den ehrlichen Kinderseelen, die noch aus voller Überzeugung und ohne Berechnung sprechen.

So drückt sich Jhenés Ehrlichkeit besonders in der Reflexion ihrer Liebesbeziehungen aus. Das eigene Wiederfinden auf beiden Seiten: »Love side, Hate side, Never in between«, und ihre Hingabe für die Liebe, durch die sie lebt und für die sie stirbt (›To Love & Die‹ feat. Cocaine 80s). Andererseits gesteht sie sich aber genauso ihre Verletzlichkeit auf Brave ein: »All these scars on my heart, It´s so dark here«. Die Finsternis zu verlassen bedeutet aber genauso wenig, dass ihre Seele sie nicht weitertreibt. ›Spotless Mind‹ eröffnet die Perspektive auf die sich umtreibende Seele, die nicht absichtlich die Liebe verlässt, aber weiterziehen muss (»I’m a wanderer«). Mutig werden dennoch die Herzensbrecher bei ›Lyin King‹ angeklagt, die nicht bedingungslos lieben können (»Mr. serial lover«, »Mr. conditional lover«), denen Jhené prophezeien kann: »You’ll never know a good thing«. Karma, Baby.

Zwischen all der unconditional love , die Jhené als echtes Westside-Mädchen auch für 2Pac übrig hat, drückt Souled Out nicht nur die Beziehung zu anderen Seelen dieser Welt aus. Es ist vielmehr auch eine versteckte Liebeserklärung an das eigene Leben und das Bewusstsein über die eigene Seele, die Fähigkeit sich selbst zu vergeben und geduldig zu sein (›W.A.Y.S‹): »everything takes time, You have gotta lose your pride, You have gotta lose your mind«. Schlussendlich sind wir alle doch nur Teil eines großen Ganzen – »You have gotta trust the signs, Everything will turn out fine« –, aber vielleicht trotzdem relevant genug, um den Schmetterling fliegen zu lassen und die Dinge auch nur durch kleinste Handlungen zu beeinflussen. Davon fliegen, darum geht es auch auf ›Pretty Bird‹, bei dem Common unterstützt, der durch ähnliche Mentalität als guter Partner funktioniert.

Die große Heldin der freien Seele ist Jhené aber tatsächlich auf ›Eternal Sunshine‹. Mit einer Leichtigkeit zum sanften Beat und Klavierspiel macht sie singend Eingeständnisse: »The more that I know, I don’t know anything at all«, doch trotzdem bleibt ihre beneidenswerte Gewissheit, »if I were to die today, there’s not at thing that I would change«. Und zwischen all den vielen Lebensphilosophien und Chaostheorien, Zen, Spiritualität und reiner Nächstenliebe, lässt Jhené Aiko die Seele wegweisend aufleuchten. Starke Seele, verletzliche Texte. Ihre eigene Offenbarung und Transparenz steht im Dienste der Musik, fernab von Ghostwritern und Sell-out.
 
 

Text

Lisa Riepe

Fotografie

© Agentur von Welt
 
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[notification type=“success_alert“ title=““]Souled Out erscheint auf Def Jam.[/notification]
 

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