Kyoka: »IS (Is Superpowered)«

›IS (Is Superpowered)‹ zu hören ist ein bisschen so, wie an einer Batterie zu lecken. Dieses Elektrisierungsmoment, wenn der Funke direkt in den Körper zu springen scheint, blitzschnell durch die Nervenbahnen rast – so als würden alle Moleküle neu programmiert –, um dann im Bruchteil einer Sekunde aus sämtlichen Poren zu schießen — Kyoka stellt es auf Dauer.

Aber zunächst: rewind. Nachdem sie vor zwei Jahren bereits mit ihrem Raster-Noton-Debüt ›Ish‹ und ihren Veröffentlichungen auf dem Berliner onpa)))-Label unter anderem bei Ambient-Ikone Ryuichi Sakamoto Aufsehen erregte, ist das neue Album nochmals ein Quantensprung — im eigentlichen wie auch im übertragenen Sinne. Letzteres, weil es tatsächlich erstaunlich ist, wie feingliedrig und gleichermaßen dicht die Musik auf ›IS‹ in Erscheinung tritt. Wo auf ›Ish‹ eine gelegentlich ans Manische grenzende Verspieltheit im Vordergrund stand, ist es hier vor allem ein düster-technoides Gegengewicht, das den hypernervösen Ausflüchten in Richtung Glitch und Breakbeats einen Ruhepol entgegenstellt und der Platte einen eigenartigen Dipolcharakter verleiht.

Einerseits ist da diese ungreifbare Raserei, also die Quantensprünge im eigentlichen Sinne, wenn die Fülle der Sound-Partikel an- und untereinandergerät, wobei diese kurzen Glitches entstehen  — Material, dass sich aneinander aufreibt. Und noch etwas geschieht durch dieses Impuls-Bombardement: es hat den Anschein, als würden die einzelnen Klänge so beschleunigt, dass sie aus der Kontinuität in die Kontingenz überspringen, sich also von einem Nacheinander in ein Nebeneinander auffächern. Jedes abstrakte Vocal-Sample, jedes Fieldrecording-Fragment, jedes Klackern und Rauschen scheint sich simultan in einer eigenständigen Dimension zu bewegen. Die fiebrige Spannung die ›IS‹ verströmt, speist sich nun aus der schier endlosen Zahl der Übersprungsmomente — aus abrupten Brüchen und Linien der Verschiebung entlang der Dimensionen, denen es – bei aller radikaler Unvohersehbarkeit – zu folgen gilt. Ein superpowered Exzess an Gegenwärtigkeit.

Und doch durchzieht diese Rastlosigkeit eine Fluchtlinie der Ruhe, der sich die Tracks mal mehr (›Toy Planet‹, ›Moonboots‹), mal weniger (›Piezo Version Vision‹) annähern, die jedoch immer latent durchschimmert. Sie ist schwer greifbar; vielleicht eher eine Art Gefühlsstruktur. Dieses Raster-Noton-Charakteristikum, was sich über die Fingerspitzen von Frank Bretschneider und Robert Lippok in die Musik eingeschrieben hat: ein versteckt-verhüllt-verschachteltes Dystopiequantum, auf dem die Partikel tanzen.
 
 

Text

Robert Henschel

Fotografie

© S. Steinhäuser
 
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[notification type=“success_alert“ title=““]›IS (Is Superpowered)‹ erscheint auf Raster-Noton.[/notification]
 

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