Die ›Rauheit‹ ist der Körper in der singenden Stimme, in der schreibenden Hand, im ausführenden Körperteil.
— Roland Barthes
»I hit the ground hard« singt Neneh. Und prompt fühlt man selbst eine Art Phantom-Aufschlag, der einen – emotional zu Mus zerstampft – um Luft ringen lässt. Da ist eine brutale Unmittelbarkeit, die aus ›Blank Project‹ spricht und direkt auf einen Nerv im eigenen Körper zu prallen scheint — ein dumpfes Unbehagen macht sich breit, bleibt die vollen fünfzig Minuten Spielzeit an der Wahrnehmung kleben wie Kaugummi am Schuh. Aber da ist noch mehr: ein unterschwelliges Attraktions-Moment: eine durch das Schlüsselloch linsende Sexyness, die einen gleichsam gefangen hält. Und das Gefühl, dass man hier, jetzt gerade, stellvertretend an einem äußerst fragilen und schmerzhaften Augenblick teilhat. Woher kommt das?
Es scheint weniger an dem zu liegen, was Neneh da äußert, wenngleich ein Gespucktes »all the horseshit is getting too close« wie KAPITALDRUCK wirkt. Vielmehr liegt es im Sich-Veräußern; in ihrer Art des Singens. In diesem irgendwie kratzigen Flimmern, das klingt, als würden die Stimmbänder aneinander reiben, bevor sie wieder zurück ins glockenklar Enthobene schwingen. In einer streckenweise bronchitischen Belegtheit, die den Gesang zu erdrücken droht, ihm jedoch gleichzeitig dieses verführerisch-tiefe Timbre verleiht. Und vor allem daran, dass die Worte mit einer ohnmächtigen Wut überfrachtet daherkommen, unter deren Last sie jeden Augenblick zusammenbrechen könnten — ächtzende Borderline-Buchstaben an der Grenze zum Heulkrampf. In ›Everything‹ gehen sie für einen Augenblick in die Knie, Neneh schreit, raffen sich wieder auf, Neneh spricht sich Mut zu: »good things come to those who wait«.
Und dann sind da noch RocketNumberNine, die diese nervöse Überreiztheit auf famose Weise in Klang zu übersetzen wissen. In eine Art knochige Rohheit, die mit der Behutsamkeit eines Vorschlaghammers auf die Synapsen einprügelt. In etwas mikrotonal metallenes, beinahe maschinenhaftes, das ein Gefühl kühler Entfremdung hervorruft. Und immer dann, wenn es an die Oberfläche der Wahrnehmung taucht, in kurzen Momenten der Stille, prallt es ungebremst auf Nenehs Stimmkörper, der dann semantisch aufheult und – sichtlich angeschlagen – ins Schlingern gerät. Und wir: hängen in diesem bedrängenden Gefühl voyeuristischer Ohnmacht fest, das uns das Wegsehen verbietet. Dann setzt die Musik wieder ein, Neneh findet Fassung und beruhigt uns: »it ain’t over ’til the fat lady sings«.
Text
Robert Henschel
Fotografie
© Kim Hiorthoy
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[notification type=“success_alert“ title=““]›Blank Project‹ erscheint auf Smalltown Supersound.[/notification]